Man hat sich sicherlich viele Gedanken gemacht, wie denn der neu gestaltete Übergang auf die Oberschulen zum kommenden Schuljahr 2011/12 vonstatten gehen soll. Am 16. September 2010 – aus Sicht der betroffenen Kinder und Eltern mindestens ein Jahr zu spät, aber immerhin „nur“ vier Wochen nach Schuljahresbeginn – endlich eine Pressemitteilung (und ein paar Zeitungsartikel – zusammengestellt vom Landeselternausschuss Berlin) zum Thema.
Darin steht genau beschrieben, nach welchen Kriterien eine Schule „im Fall einer Übernachfrage“ die zur Verfügung stehenden Plätze unter den Bewerbern aufteilen wird. Am Rande bemerkt: dieser „Fall einer Übernachfrage“ wird im kommenden Schuljahr zwangsläufig an sehr viel mehr Schulen als sonst auftreten, weil es sich um genau den anderthalbfachen Jahrgang handelt, bei dem zum Schuljahr 2005/06 das Einschulungsalter erstmalig um ein halbes Jahr gesenkt wurde.
Doch zurück zu den Geschwisterkindern …
Zur Freude der Eltern mit mehr als einem Kind in schulfähigem Alter steht in der Pressemitteilung u.a. auch folgendes: „Ab dem Schuljahr 2011/2012 werden von den Schulen zehn Prozent der aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler über die Härtefall-Regelung ausgewählt, worunter auch Geschwisterkinder von bereits auf der Schule aufgenommenen Schülerinnen und Schülern fallen.“ Aus Sicht der Familien eine sehr sinnvolle Regelung. Denn wenn schon das bisher geltende Wohnortprinzip gestrichen wird, mit dem – zumindest im Regelfall – lange Schulwege erspart blieben und die Kinder fast automatisch die gleiche Oberschule besuchen konnten, so wird jetzt also auf diese Weise gewährleistet, dass die Kinder am Ende nicht auf mehrere Schulen verstreut werden.
Die Kinder können gemeinsam zur Schule gehen (nachdem man zusammen gefrühstückt hat). Sie können die einmal angeschafften Bücher (noch so ein Thema) mehrfach wiederverwenden. Schulfeste, Weihnachtskonzerte und andere, regelmäßig stattfindende schulische Veranstaltungen können gemeinsam besucht werden. Das Engagement der Elternhäuser in den schulischen Gremien und Fördervereinen läßt sich sinnvoll bündeln. Kurzum: eine wirklich gute Entscheidung!
(Eine Nachfrage vom 11. November 2010 beim sog. „infopunkt“ der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wie genau denn der Begriff ‚Geschwister‘ vor allem unter Berücksichtigung von sog. Patchwork-Familien definiert sei, ist bis heute – also nach fast einem Monat – unbeantwortet geblieben! Dazu ggf. an anderer Stelle mehr.)
Nun aber – elf Wochen nach der Pressemitteilung und ganze zwei Monate vor dem Beginn des Anmeldezeitraums – soll diese Regelung (vergl. § 6 Abs. 2 Sek I-VO) der am 01. August 2010 in Kraft getretenen und zuletzt am 17. September 2010 geänderten Verordnung über die Schularten und Bildungsgänge der Sekundarstufe I (Sek I-VO) entfallen sein! So zumindest teilt es – als derzeit einzige Quelle im Internet – das Schulamt Steglitz-Zehlendorf am 29. November 2010 der Öffentlichkeit mit. In deren Informationen zum Besuch der Oberschule heißt es ganz unmißverständlich:
„Entgegen ursprünglicher Planungen fallen Geschwisterkinder NICHT (!) unter die Härtefallregelung!“
Was auch immer die Verantwortlichen da geritten hat, die Härtefall-Regelung für Geschwisterkinder plötzlich rückgängig machen zu wollen. So geht es einfach nicht!!! Nicht nur, dass – zumindest bis zum heutigen Tage – betroffene Eltern auf der Suche nach verbindlichen Aussagen zum Übergang auf die Oberschulen auf der Internetseite der Senatsverwaltung offensichtlich falsch informiert werden. Auch den Oberschulen selbst, die ggf. ihre Zugangskriterien entsprechend hätten formulieren können, sind die Hände gebunden. Diese hatten nämlich gemäß der Übergangsregelungen nach § 49 Abs. 1 Sek I-VO nur bis zum 12. November 2010 per Beschluß der Schulkonferenz die Möglichkeit, ihre Aufnahmekriterien innerhalb bestimmter Vorgaben selbst festzulegen. Da die Frage der Geschwisterkinder bereits geregelt zu sein schien, wird keine einzige Oberschule der Stadt dieses Kriterium gefordert oder gar für sich beschlossen haben.
… und wann wollte man den betroffenen Kindern und Eltern sowie den Schulen seitens der Senatsverwaltung diese Änderung eigentlich offiziell mitteilen? Immerhin laufen die ersten Beratungsgespräche an den Grundschulen (deren Verbindlichkeit auch noch zu hinterfragen ist).
Es ist Vorweihnachtszeit. Insbesondere Familien, die ja – wie wir alle wissen – nach Artikel 6 des Grundgesetzes unter „dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ stehen, haben derzeit ja ganz andere Sorgen und Freuden. Geschenke, Weihnachtsfeiern, Weihnachtskonzerte und -basare an den Schulen und Kindertagesstätten. Ein Schelm, der Böses dabei denkt (bitte alle mitsingen): „So viel Heimlichkeit …“ (mrx)
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Zum meiner Anfrage vom 11. November 2010 habe ich gestern nun (endlich und mehrfachem penetranten Nachhaken beim „infopunkt“) von Frau Wiese-Lühr aus dem Referat Schulrecht der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung folgende Auskunft erhalten:
„Die bisher vorgesehene Regelung in § 8 Absatz 2 der Sekundarstufe I-Verordnung vom 31. März 2010 (GVBl. S. 175), geändert durch Verordnung vom 17. September 2010 (GVBl. S. 448), dass Geschwisterkinder in jedem Fall als besondere Härtefälle gelten, wird durch eine bis zum Jahresende umgesetzte Änderung der Verordnung nicht erhalten bleiben. Der Wegfall der bisherigen Regelung bedeutet jedoch nicht, dass Geschwisterkinder im Einzelfall künftig keine besonderen Härtefälle mehr sein können. Die Verwandtschaft allein genügt jedoch nicht mehr, um automatisch einen Härtefall zu begründen, sondern es müssen weitere Erschwernistatbestände hinzutreten.“
Was auch immer „Erschwernistatbestände“ sind. Sie meint sicherlich § 6 Absatz 2 der Sekundarstufe I-Verordnung und bestätigt damit offiziell die Informationen des Schulamts Steglitz-Zehlendorf. Leider.
m.